Joe Bonamassa, Ausnahmegitarrist und Sänger, hat mit Sloe Gin sein siebtes Album auf den Markt gebracht. Wie schon auf dem Vorgänger „You & Me“ war Produzent Kevin Shirley dafür verantwortlich die Songs in das bestmögliche Licht zu rücken.
Das nachfolgende Interview stammt vom 1. August 2007 und wurde von Tom Watson/Modern Guitars Magazine geführt.
Tom Watson: Als Kevin Shirley und Du über Sloe Gin zu diskutieren begonnen habt, wolltet ihr ein reines Akustik-Album machen?
Joe Bonamassa: Wir haben mit dem Gedanken gespielt ein komplettes Akustik-Album zu machen. Weil aber zu der Zeit „You & Me“ so gut angekommen ist, haben wir das Ganze nochmals neu besprochen. Ein reines Akustik-Album wäre für all die Leute die noch nie von mir gehört haben nicht die beste Lösung gewesen. Trotz meinen sieben Alben gehe ich nicht davon aus, dass mich die Leute kennen. „You & Me“ war das bisher erfolgreichste Album. Ich habe so viele neue Fans hinzugewonnen, die ich mit dem Nachfolger nicht verwirren wollte. Ich denke es war die richtige Entscheidung nochmals die E-Gitarren auszupacken.
Würdest Du Sloe Gin ein Blues-Album nennen?
Ich würde es einfach „ein Album“ nennen. Nur ein Album – eines, wo Blues drauf ist. Die Inspiration dazu lieferte mir „The Rod Stewart Album“ (das 1969 erschienene Solodebut). Da ist heavy Blues, ein wenig Akustik und sogar english Folk drauf. Meine Interpretation des Albums war, dass da alles vorhanden ist was Rod Stewart später ausgemacht hat. Mit Sloe Gin wollte ich ein Album machen das alles enthält was mich ausmacht. Es ist der Blick auf einzelne Teile eines Ganzen.
Mal angenommen ich müsste Sloe Gin in den Billboard-Charts platzieren. Wo müsste ich es einordnen?
Ich könnte ein Heavy Metal oder ein Gothic Metal Album machen und sie würden mich dennoch in die Blues Charts platzieren [lacht].
Das könnte sich nach diesem Album ändern.
Es stört mich nicht in den Blues Charts zu stehen. Da ist man in sehr guter Gesellschaft. Es ist ja auch viel einfacher die Nr.1 in den Blues Charts zu werden als in den Pop-Charts. Immerhin bin ich irgendwo die Nr.1.
Auf Sloe Gin scheint der Fokus ganz auf den Songs und auf den Storys dahinter zu liegen. Nicht auf beeindruckendem Gitarrenspiel.
Ich wollte ein anderes Album als „You & Me“ machen. Das war wesentlich mehr auf das pure Gitarrenspiel ausgelegt, was auch cool war. Aber du willst nicht zwei solche Alben nacheinander machen. Die Leute würden denken es ist wie „You & Me II“ und wenn sie die Songs nicht gleichermassen mögen, dann ist es nur noch „You & Me Light“. Ich hätte noch einiges davon in mir, aber mit diesem „Shred-o-rama“ kann ich nicht ewig weitermachen.
Deine Stimme auf Sloe Gin ist sehr präsent, sehr klar. Ich denke, dass dein Gesang auf diesem Album viel mehr zur Geltung kommt als auf jedem anderen zuvor.
Die Songs verlangen das und ich habe wirklich intensiv am Singen gearbeitet. Das hat mir sehr geholfen. Die Songs bringen das Beste hervor was ich singen kann. Und ich kann nicht alles singen. Diese Songs waren bezüglich des Gesangs meine grösste Herausforderung.
Wieviel Input von Kevin kam bezüglich den Arrangements?
Viel. Wir sassen herum, haben einzelne Teile eines Songs aufgenommen und dabei sind uns Dinge wie „Wir brauchen hier einen Chorus“ eingefallen. Mit der Einfachheit des Computers kannst du einen Chorus einfügen wo immer du willst. Wir haben die Sachen nicht aufgenommen wie sie arrangiert waren. Wir haben die Songs nach den emotionalen Höhepunkten arrangiert.
Du wolltest anscheinend zuerst Sloe Gin als A/B-Side Album auf den Markt bringen. Ist das Thema für dich noch aktuell?
Für mich ist es bereits wie Seite A und Seite B, wo Sloe Gin das Ende der Seite A darstellt und die Seite B folgt. Sloe Gin begleitet dich an einen Punkt und auf Seite B folgen ganz andere Songs wie „Black Night“ oder „India“. Ich denke nicht, dass der Zuhörer mit diesem Album gelangweilt sein wird und sagt „Es ist immer das gleiche, wieder und wieder. Er hatte zwei gute Songs und hat noch etwas aufgefüllt“. Das ist nicht die Art wie ich Dinge anpacke. Ich hoffe sehr, dass das Album von Track eins bis elf gefällt.
Lass uns über einzelne Songs im speziellen sprechen. Bist du mit dem Autor des Openers „Ball Peen Hammer“, Chris Whitely, befreundet?
Wir waren keine besonderen Freunde. Wir kannten uns von ein paar Shows, auf denen wir nacheinander gespielt hatten. Ich war wirklich beeindruckt von seiner Solo-Arbeit. Immer wenn er mit einer Akustikgitarre oder einer Dobro auf die Bühne ging und die Anlage wirklich laut eingestellt war, dann hat es getönt wie eine ganze Band. Jedes Mal wenn ich ihn alleine an der Akustik gesehen hatte, war ich hin und weg. Der Typ war ein Genie. Auf Sloe Gin ist „Ball Peen Hammer“ ein Blues Song der ziemlich rockig gespielt wird. Der Song wurde in einem Take aufgenommen, ohne Schnitt oder irgendwas sonst. Es war ein guter Moment am Ende eines Tages.
„One of These Days“ erinnert ein wenig an Southern Rock.
Es ist mehr der Ten Years After-Style. Der Beginn des Songs ist wie ein Delta Blues, der dann zum Chorus übergeht und schlussendlich in einem epischen Jam, wie beispielsweise „Layla“, endet.
Wieso „Seagull“?
Ich habe es ein paar Mal live gesungen, als ich für Akustik-Shows gebucht worden bin und mehr Songmaterial benötigt habe. Ich dachte mir „Ich kann das singen“, ausserdem war es schon immer einer meiner Lieblingssongs von Paul Rodgers. Also habe ich es einige Male gesungen und die Leute sind ausgeflippt. Danach habe ich es in meinem Kopf gelagert. Als wir für Sloe Gin an Akustiksongs gearbeitet haben, fiel mir Seagull wieder ein. Kevin hat einen tollen Job gemacht. Der Song hat einen starken Höhepunkt und eine gewisse Tiefe.
Lass uns über den Titeltrack „Sloe Gin“ sprechen. Kanntest Du Dick Wagners Originalsolo?
Wir haben es uns oft angehört. Wir dachten ursprünglich, dass Earl Slick (David Bowie) das Solo spielt, bevor wir Wagner als Spieler identifiziert hatten.
Hat dich Wagners Solo beeinflusst?
Ein bisschen, zum Beispiel bei den Trillern, die ich da mache. Ich mochte diesen 70er-Style, der ein wenig wie die Glam Ära des Rock klingt. Das Original ist ein komischer Track, aber ein wunderbarer Blues Song. Die Art wie Tim Curry singt ist einfach wundervoll. Ich kenne keinen besseren Song, wo mehr Emotion nur aus der Stimme kommt.
Wie reagieren die Fans auf Sloe Gin?
Es scheint sofort ein Favorit zu werden. Als noch nicht mal das Album draussen war hat mich jemand in England gefragt „Hören wir heute Abend Sloe Gin?“.
Und „Another Kind of Love“?
Es ist ein John Mayall Song. Ich wollte einen weiteren Blues-Stil einfügen und wir haben einen Up-Tempo Blues-Rocker gebraucht. Es war einer der letzten Songs, den wir gemacht hatten und ich denke er ist wirklich gut geworden.
Wieso hast Du „Around the Bend“ neu aufgelegt?
Ich habe meine ursprüngliche Originalversion gehasst. Ich hatte diesen wunderschönen Song, den ich zusammen mit Will Jennings geschrieben hatte und ich habe ihn richtig versaut. Vielleicht mögen manche Leute diese Version sogar besser als die neue, aber ich habe die Originalversion auf „Had to Cry Today“ wirklich gehasst. Es ist mir nie aus dem Kopf gegangen, dass in diesem Song etwas gefehlt hat. Für mich tönt die Originalversion wie ein halbherziger Blues-Rock Song. Der Song ist eigentlich ein Akustiksong, keiner mit elektrischen Gitarren. Wir benötigten lediglich eine Akustikgitarre, um die Lyrics darum herum zu bauen – das hat Kevin getan.
Wie gefällt dir „Jerry Roll“?
Eine der Gruppen, die für uns in der UK als Vorband aufgetreten sind, hat mir ein John Martyn Album gegeben. Ich habe den Song gehört und fand ihn Klasse.
„Black Night“ war 1951 ein James Brown Hit.
Ja, genau. Ein cooler Song und ich mochte die Art wie er ihn gesungen hat.
Die Lyrics in „Richmond“ machen den Anschein, als ob Du da geboren und aufgewachsen wärst.
Stimmt, aber eigentlich handelt der Song von der Zeit als ich in Washington D.C. gelebt habe. Ich habe die Zeit wirklich geschätzt und für mich ist es eine der schönsten Städte der Welt. Ich habe sehr schöne Erinnerungen an diese Stadt, aber leider singt sich „Washington“ nicht so gut wie „Richmond“. Also haben wir aus diesem Grund die Stadt gewechselt.
„Utica“ wäre auch interessant gewesen.
Yeah, Utica tönt auch nicht besonders toll [lacht]. „I wish I was in Utica“.
„India“ ist einer der interessantesten Tracks des Albums. Ist das als Vorschau auf zukünftige Alben mit mehr Stilrichtungen aus anderen Ländern zu verstehen?
Vielleicht. Für mich ist die Frage, wo steckt Blues drin? Es gibt so viele Songs und so viele Einflüsse. Jede Musik hat irgendwo den Blues im Kern drin, also geht es darum zu versuchen alles zu kombinieren. Es kann eine Vorschau sein, keine Ahnung. Ich mochte das Demo für „India“, das ich aus dem Kopf im D-A-D-D-A-D Tuning gespielt hatte. Das interessante an indischen Skalen ist, dass ein Ton eine halbe Note höher oder tiefer sein kann und es „richtig“ tönt. Rick Medlick hat einen fantastischen Job gemacht. Es ist cool, denn es gibt keinen besseren Weg als ein Blues-Album mit einem Sitar-inspirierten Song zu beenden.
Lass uns über die Gitarren sprechen, die Du auf Sloe Gin verwendet hast.
Meistens habe ich die Gibson Les Paul `59 Historic Reissue gespielt, die ich in den vergangenen 2-3 Jahren verwendet habe. Es ist eine wundervolle Gitarre. Ich habe Original-Pickups von einer 1964er Gibson ES-335 drin, plus einige Kleinigkeiten, aber es ist einfach eine coole Gitarre. Ich habe hier im Bus ein Magazin gelesen, in dem jeder über das Modifizieren von Pickups geredet hat. Viele Leute beschäftigen sich damit das Rad neu zu erfinden. Ich habe mir beim Durchlesen des Artikels gedacht, „Eine gute Gitarre ist einfach eine gute Gitarre“.
Heute gehen die Airlines nicht immer gut mit Gitarren um, weshalb wir auch Les Paul mieten. Um ehrlich zu sein ist der Unterschied zwischen einer gemieteten Les Paul ab der Stange und einer von mir modifizierten Version für das menschliche Ohr fast nicht auszumachen. Für mich war das eine Offenbarung. Es hat mich dazu gebracht mich wieder mehr auf das Spielen zu konzentrieren und nicht irgendwelchem Equipment nachzurennen. Das Meiste liegt in den Händen.
Du hast die Anzahl der auf dem Album verwendeten Gitarren wirklich klein gehalten.
Das habe ich wirklich. Für das ganze Album habe ich fünf Gitarren verwendet. Wir haben für den Chorus von „Sloe Gin“ eine Fender Esquire verwendet, ansonsten eigentlich immer die Les Paul Reissue. Eine ES-345 habe ich für Black Night gewählt, eine alte Martin D-28 und meine 30er L-Century und das war`s.
Du hast ausserdem eine National Triolian (Dobro Gitarre) verwendet.
Ich habe die für „Jerry Roll“ verwendet. Es ist ein 1931er Modell, dass ich in einem Musikshop gekauft hatte. Zu meiner Verwunderung waren die Reissues teurer als das Original. Ich habe es für ungefähr 1000 US-Dollar gekauft. Es ist wundervoll und der Hals ist noch in guter Verfassung. Du kannst damit keinen ganzen Gig spielen, aber wenn du einen Capo montierst und das Tuning hinkriegst, ist es eine tolle Gitarre. Der Resonator ist ebenfalls in guter Verfassung. Der wichtigste Test für eine Gitarre ist, ob im Studio alles in Tune bleibt. Das Tuning ist so wichtig.
Du bist in letzter Zeit von der Stratocaster weggegangen und scheinst den Gibson-Sound sehr zu mögen.
Die Strat ist einfach verbraucht und wird zu oft eingesetzt. Du könntest auf einer Strat Tchaikovsky spielen und dennoch würde sich jemand finden der sagt „Oh, du klingst wie Stevie Ray Vaughan“. Ich bin das leid. Die Les Paul hat weniger tonale Möglichkeiten, zudem habe ich mein Pedalboard kräftig ausgeräumt. Ich versuche mich zu forcieren und zu sehen, was aus mir herauskommt. Es ist ein Teil davon deinen eigenen Stil zu kreiren. Ich versuche von den ständigen Vergleichen wegzukommen. Es ist zwar immer schön verglichen zu werden, aber ich will nicht als ein Typ in Erinnerung bleiben der wie Stevie Ray Vaughan oder Eric Johnson klingt. Ich möchte etwas eigenes finden. Einmal im Leben möchte ich ein Original-Lick spielen [lacht].
Die Suche nach dem „unbekannten Lick“.
Die Suche nach dem Original Joe Bonamassa Lick, das von niemandem beeinflusst wurde [lacht].
Sammelst Du immer noch Gitarren. Du hast ja eine ganze Menge davon.
Ich habe ein paar hundert Gitarren, aber seit mindestens einem halben Jahr keine mehr gekauft. Das ist langsam vorbei. Das ging eine Zeit lang so, dass der Bus vor jedem Gitarrenshop die Notbremse gezogen hat und ich reingegangen bin. Nun ist das nur noch ein kleiner Teil meines Lebens. Ich habe ein halbes Dutzend Les Pauls die wirklich rocken, ein paar 335er, einige Teles und verschiedene Amps. Ich hatte mal die Phase, wo ich mir als Inspiration für einen neuen Song oder für eine Technik extra eine Gitarre gekauft habe. Aber nach all den verschiedenen, kuriosen Gitarren muss man sich selbst mal überdenken. Schau dir Rory Gallagher an. Er war grossartig und hatte ein, zwei Gitarren. Oder Jimi Hendrix, der auch keine Sammlung hatte. Er würde sich eine Gitarre kaufen und damit die Show am selben Abend spielen. All diese Jungs hatten wenige Gitarren, mit denen sie die Welt verändert haben.
Manchmal ist man von dem ganzen Zeug einfach gelangweilt. Du willst nur eine Gitarre und loslegen.
Yeah. Klar, es ist immer ein grosses Thema für all die Magazine und Websites. Aber wie ich schon sagte, brauchen wir wirklich Themen wie „Die besten Pickups aller Zeiten“? Da gibt es Firmen die nichts anderes machen als ein 400 Dollar teures Gitarrenkabel zu erfinden, weil die nicht Gitarre spielen möchten [lacht]. Sorry, ich bin heute etwas komisch drauf. Aber ernsthaft: Die Grossen hatten irgend ein Kabel was bei der Gitarre dabei war und damit legten sie los. Dafür benötigt niemand ein superteures Kabel.
Diese „Back-to-Basics“ Mentalität mit dem Fokus auf den Song beeindruckt mich bei Sloe Gin.
Das ist mein Standpunkt. Viel zu oft hört man in einem Song die Mentalität „wir machen jetzt ein Album, kramen einige Songs zusammen, singen ein paar Strophen und das ist dann gut so“. Das kam für Eric Clapton nie in Frage. Clapton hatte grossartige Songs, war ein ausgezeichneter Gitarrist und ein toller Sänger. Man beginnt mit dieser Kombination zu flirten. Er hatte immer wieder absolut grossartige Songs. Das gleiche gilt für Jeff Beck. Er ist ein exzellenter Gitarrist und trotzdem waren seine Songs nie ein Jam-a-thon. Er hatte tolle Phrasierungen, coole Melodien, Dinge, an die man sich erinnert.
Du bist in der Blues Foundation enagiert und hast dort das „Blues in Schools“ Projekt gestartet. Was erzählst Du den Kinds über den Blues?
Wenn du Led Zeppelin zugehört hast, dann kennst du den Blues. Alle Kids kennen Led Zeppelin und Jimi Hendrix. Ich sage ihnen, dass sie mit Led Zeppelin den Blues gehört haben ohne es zu wissen. Der Blues kann von Robert Johnson kommen, es kann auch Jimi Hendrix sein, oder auch James Brown. Wenn es den Blues nicht gegeben hätte, würde es auch kein Hip-Hop, Heavy Metal oder sonst irgendwas geben. Man sollte den Blues nicht abschreiben, weil man dabei immer an den einen Bereich denkt. So ist es nicht. Es ist ein grosser Regenschirm aus Musik, der alles beeinflusst was du momentan hörst. Da sieht man die Augen der Kids aufleuchten.
Normalerweise nehme ich als Beispiel „Whole Lotta Love“ von Led Zeppelin. Ich erzähle ihnen, dass das ein Willie Dixon Song ist. Die Kids antworten darauf „Wer zur Hölle ist Willie Dixon?“. Das ist es. Wenn sie nachher die Schule verlassen und ein B.B. King oder ein Led Zeppelin Album kaufen, was sie vorher niemals getan hätten, dann habe ich meinen Job gemacht.
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