Gitarristen lassen sich ständig von Equipment und Zubehör beeindrucken, beeinflussen und – verunsichern. Und das dumme ist, selbst wenn man darauf achtet den eigenen Sound nicht dem Equipment zu überlassen, passiert es hin und wieder. Man testet etwas aus, nur um so und so zu klingen.
So geschehen nach dem Jahreswechsel. Ein bestimmter Sound eines Gitarristen hat mich derart fasziniert, dass ich mir im Musikladen meines Vertrauens verschiedene Saiten geholt hatte. Ein bisschen mehr Tiefe wollte ich haben, also spannte ich brandneue 052-010er Saiten auf meine Framus. Normalerweise spiele ich 046-009er Saiten (die dicke E-Saite mit 0.046mm Zoll Durchmesser).
Hat sich der Wechsel gelohnt? Nun, ein wenig mehr Bass und Tiefe im Gesamteindruck waren schon auszumachen. Dafür bemerkte ich, dass etwas anderes massiv unter den neuen Saiten litt. Mein Spiel wurde vergleichsweise unsauber und hakelig, weil die Finger der Greifhand auf Grund der dickeren Saiten einer grösseren Anstrengung ausgesetzt waren. Logisch und nachvollziehbar.
Richtig sauber und gefühlvoll spielt man jedoch nur, wenn die einzelnen Finger der Greifhand möglichst kleine Bewegungen machen müssen. Wenig Kraftaufwand ist das Zauberwort. Wer schon mal drei, vier Stunden am Stück gespielt hat, weiss, wovon ich spreche. Was habe ich dabei gelernt? Spiele niemals zu dicke Saiten. Verwende die dünnstmöglichen Saiten, die dein Spiel zulassen. Deine Finger und deine Technik werden es dir danken!
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Thomas meint
Ich habe die gegenteilige Erfahrung gemacht: dicke Saiten klingen nicht nur besser, sie zwingen dich (bzw. deine Finger) auch, die ausgetretenen, bequemen Pfade zu verlassen. Du hörst mehr auf die einzelnen Töne, musst mehr kämpfen, spielst bewusster. My 2¢.
Michael Herb meint
Hi Thomas
Hmm, das ist ja interessant. Es könnte auch mit der individuellen Erfahrung zu tun haben. Jemand, der schon 15 Jahre Gitarre spielt kann vermutlich ganz bewusst auf solche Gegebenheiten reagieren. Ich spiele allerdings erst halb so lang und mir scheint, als ob ich mit der quasi Standard-Bespannung mit 046-009er Saiten am besten zurecht komme.
Wie lange und wie oft spielst du?
Thomas meint
Ich spiele seit 34 Jahren (mit 9 angefangen), die ersten 20 Jahre sicher 4 oder 5 Stunden am Tag. Seit mehr als 25 Jahren Bass. In den letzten Jahren ist es etwas weniger geworden, bin ja nur Hobbymusiker.
Da ich immer auch viel Akustikgitarre gespielt habe, war ich eh an 12er oder 13er Saiten gewöhnt. Dazu der Bass.
Dafür kann ich heiße Töpfe anfassen, zumindest mit links ;-)
Michael Herb meint
Wow, ja, da kann ich meine Spielerfahrung natürlich nicht mit deiner vergleichen. Zwar hatte ich in den ersten paar Jahren auch enorm viel gespielt, aber letztes Jahr ging doch einige Praxis drauf. Dafür werde ich meinem Sohn bald einmal in den Schlaf klimpern können – ist doch auch was :-)
wils meint
Die Sache mit den Saiten hat immer 2 Seiten ;-)
Meine Erfahrung ist, dass dickere Saiten tatsächlich besser klingen, unter der Voraussetzung man kann damit auch umgehen. Ich spiel seit Jahren die gleiche Saitenstärke wie Michael und meine Muskeln, Sehnen und Bänder der Hand haben sich darauf eingestellt. Seit ein paar Wochen sind wir an einem Unplugged Projekt am üben, und ich hab meine Westernklampfe mit 11er Saiten reaktiviert. Solo spielen kann ich damit schlichtweg vergessen, da ich beim Solieren sehr viel mit Bendings arbeite. Das funktioniert mit dem 11er Satz nur noch rudimentär :-(
Ich müsste jetzt viel mit der Westernklampfe üben um meine Hand zu kräftigen, damit ich auch den 11er Satz vernünftig ziehen kann. Bräuchte dafür nur noch die Zeit…
Ok. Schließendlich kommt es auch auch auf die Klampfe an, wie weit runter man mit der Saitenstärke gehen kann. Bei Billig-Gitarren scheppern die 9er Saitensätze sehr schnell, und das kann man meistens auch nicht durch eine Halsverbiege ändern. Auf meiner Staufer Strat ist es sogar möglich den 9-46er Satz ohne Scheppern einen Halbton tiefer zu stimmen. Dadurch kann ich noch heftiger ziehen, der Sound wird fetter und meine Stimmbänder frohlocken ;-)
Michael Herb meint
Nachdem ich wieder zu den 46-9ern zurückgekehrt bin, teile ich deine Erfahrungen Wils. Nach dem die Saiten drauf waren offenbarte sich die Gewohnheit: Plötzlich gingen Bedings viel leichter von der Hand, weil sich meine linke Hand offensichtlich an die starken 052er gewöhnt hatten. Und jetzt „überspielte“ ich manche Töne sogar.
Nun ist aber alles wieder im Lot. Ich denke, dass man sich durchaus an starke Saitenstärken gewöhnen kann. Das erfordert aber extrem regelmässiges Spielen, da sich sonst Sehnen und Muskeln zurückbilden.