Zu hohe Preise, DRM-Restriktionen und eine mangelhafte Songauswahl waren (und sind es teilweise immer noch) die Hauptgründe für die schleppenden Musikdownload-Verkäufe der Plattenlabels. Eine andere Ecke der Rechteverwertung von Künstlern stellen die Gitarren-Tabulaturen (Tabs) dar. Ähnlich wie bei den Tonträgern stehen viele namhafte Künstler bei einem Publisher unter Vertrag, der die Vertriebsrechte für Noten und Tabulaturen besitzt.
Genau wie die Kollegen der Tonträgerindustrie mussten die Publisher mitansehen wie die Freiheiten des Web Musikern und Gitarristen neue, ungeahnte Möglichkeiten an Noten zu kommen eröffnete. Die Reaktion der Rechteverwerter war heftig. Eine nach der anderen wurden praktisch alle populären Tab-Websites systematisch abgemahnt und geschlossen. Wie die Kollegen der grossen Musiklabels versuchen nun die Publisher zu reagieren und den Musikern in Onlineshops den Zugang zu Tabs und Noten zu verkaufen.
Da mir ein solches Angebot für Europäer bisher nicht bekannt ist bin ich froh, dass Ignacio vom IG-Blog das erste grosse Pay-per-Tab Angebot getestet hat. Das englischsprachige „Guitar World“ Magazin bietet zusammen mit „Alfred Publishing“ seit Anfang 2008 solche Online-Bezahlmöglichkeiten für Tabs an. Dabei kann der Gitarrist aus einem Pay-per-View oder einem werbefinanzierten Modell auswählen.
Die durch Alfred verifizierten und rechtlich überprüften Tabs, die im übringen durch User erstellt wurden, sind gemäss Ignacios ersten Erfahrungen tatsächlich qualitativ besser als der Durchschnitt. Erster Schritt ist das kostenlose Registrieren. Dann geht er weiter:
„Ich suche „Best of both worlds“ von Van Halen. Sieht gut aus. Ich möchte zum nächsten Schritt übergehen und loslegen. Nur leider habe ich meine Gitarre nicht zur Hand, und – man kann die Tabulatur nicht ausdrucken.“
Für diese nicht nachvollziehbare Nachlässigkeit gegenüber dem Interesse eines Gitarristen fällt Ignacio ein passender Vergleich ein:
„Ich fühle mich als ob ich gerade eine Flasche Milch gekauft hätte, diese aber nicht aus einer Tasse oder einer Schale trinken darf. Ich kann nur direkt aus der Flasche trinken.“
Weiter erklärt er zwar die Möglichkeit zum copy&paste des Tabs, was aber kein praktikabler Weg ist. Als nächstes testet Ignacio die Bezahloption pro Tab (pay-per-Tab) und die darunter verfügbaren Premium Tabs. Das besondere an diesen ist, dass sie optisch in der gleichen Qualität erscheinen wie in Tabbooks. Also inklusive kompletter Notation. Sein gewähltes Tab soll 0.99 US-Dollar kosten – pro Monat. Ja, richtig. Das Tab wird quasi abonniert und solange man dieses Abo nicht beendet, monatlich abgebucht. Und wie sieht`s eigentlich mit der Printfunktion aus? Pustekuchen – auch die Premium Tabs können nicht ausgedruckt werden.
Klar gibt`s für versierte User einige Möglichkeiten die Tabs trotzdem auszudrucken und eine Kopie anzulegen. Aber wir sprechen hier von einem Angebot für die breite Masse an Gitarristen. Und wenn ich mir Ingnacios Testbericht durchlese, dann kann ich nur zum Schluss kommen, dass auch die Publisher klar an den Kunden vorbei entwickeln. Unweigerlich kommen mir da die Onlineshop-Versuche der Musiklabels in den Sinn.
Es muss ein massives Umdenken stattfinden, sonst wird das nichts für die Labels und Publisher. Eigentlich gilt für Gitarrentabs das gleiche wie für Songs oder Alben. Ich muss das Ausgabeformat (PDF, ASCII, etc) wählen können. Es muss ein vernünftiges Portfolio vorhanden sein (was nützen mir nur Musiker, die bei Alfred unter Vertrag stehen). Weiter möchte ich als Gitarrist ein unkompliziertes Bezahlmodell, bei dem ich jederzeit den Überblick habe. Bitte, schaut euch doch ein wenig um. Usergerechte Shops und Abrechnungsmodelle gibt es im Web. Sonst bedienen sich die Gitarristen bei inoffiziellen Tab-Websites oder hören sich die Sachen halt raus. Ohne Mehrwert und guter Userführung werden sich die Angebote der Tabs-Publisher nicht durchsetzen können.
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