Fernando von Arb – Gründungsmitglied, Aushängeschild und Ex-Lead-Gitarrist bei Krokus. Die Schweizer Truppe verkaufte bis heute über 10 Millionen Alben und ist damit immer noch der eidgenössische Rock-Export Nummer eins. Nach seinem Ausstieg bei Krokus gründete von Arb seine eigene Band. Seit einigen Monaten ist er mit der neuen Formation in der Schweiz auf Club-Tour.
Es ist ein milder Frühlingstag – ideal, um sich über Rock`n Roll und eine faszinierende Karriere zu unterhalten. Ich treffe mich mit Fernando in einer bekannten Musikbar im malerischen Solothurn. Dem Ort, wo einst die Krokus-Erfolgsgeschichte ihren Lauf nahm.
Stringworks: Wie läuft es mit deiner neuen Band. Seit ihr schon ein eingespieltes Team?
Fernando von Arb: Wir hatten den ersten Gig im August 2005. Seither haben wir 14 Gigs gespielt, davon sieben in der aktuellen Formation mit zusätzlichem Rhythmus-Gitarristen. Es ist extrem steil nach oben gegangen. Wir haben in kleinen Restaurants ohne jegliche Bühne angefangen. Dazu gabs lediglich Mini-Gagen. Insgesamt also alles klein und eng.
Dafür, dass wir ohne CD oder sonstiger Werbung auskommen mussten, ist es ganz schön schnell vorwärts gegangen. Das hatten wir vor allem ausgezeichneter Mund-zu-Mund Propaganda zu verdanken.
Ihr spielt momentan ausschliesslich Blues- und Rock-Covers. Möchtest du das Projekt auf diesem Level halten, oder wollt ihr zukünftig auch eigene Songs schreiben und eine CD rausbringen?
Ja, das ist ganz klar das Ziel. Ich habe ja schon bei Krokus fast alles Songmaterial geschrieben, abgesehen von den Sachen für das neu geplante Krokus-Album. Da habe ich lediglich noch ein paar Ideen zur Verfügung gestellt.
Eigentlich bin ich immer zweigleisig gefahren. Einerseits war ich immer Gitarrist in einer Band, natürlich vor allem bei Krokus, und andererseits habe ich schon immer gerne Songs geschrieben. Den ersten habe ich, ohne es zu merken, im Alter von 14 Jahren geschrieben. Es ist einfach so passiert. Ich hatte mich dabei ertappt, wie ich Dinge ausprobierte und versuchte das ganze zu einem Song zu formen. So wie es scheint, wollte ich das von Anfang an machen.
Bedeutet das, du hast zu Hause noch Songmaterial auf Lager, dass nie in eine Band geflossen ist?
Ja, es ist noch tonnenweise Material vorhanden. Ich habe erst jetzt gerade mit den Vorbereitungen für eine CD mit dieser Band angefangen. Nach so vielen Jahren mit Krokus wollte ich unbedingt mal andere Sachen spielen. Dinge, die ich schon immer mal spielen wollte, aber nie die Gelegenheit dazu hatte. Schliesslich braucht es seine Zeit, bis man eine eigene Band geformt hat.
Vor etwas mehr als einem Jahr habe ich beschlossen meine eigene Band zu gründen. Damit wir möglichst schnell auf die Bühne gehen konnten, haben wir einfach Covers genommen. Mittlerweile haben wir davon eine Menge auf Lager. Jetzt, wo das alles soweit steht, habe ich damit angefangen Songs speziell für diese Band zu schreiben. Daraus soll dann unsere erste CD entstehen.
In welche Richtung wird das gehen – Rock, Blues?
Es wird sicher eine wuchtige Gitarrenangelegenheit, jetzt wo wir unseren Rhythmus-Gitarristen gefunden haben. Ich spiele die gleichen Gitarren, die gleichen Amps wie bei Krokus. Man kann wie gesagt von einer echt fetten Gitarrenangelegenheit ausgehen.
Ich sortiere momentan Material um zu sehen welche Dinge uns liegen, was wir mögen. Das kann von härterem Stoff bis zu popig, rockigen Sounds gehen. Man muss immer berücksichtigen, wer mit wem zusammenspielt und was eine Band überhaupt machen kann. Aber es geht in jedem Fall in Richtung krachende Gitarren – Olé! [lacht].
Wie siehts mit dem Gesang aus. Teilt ihr den unter euch auf, oder sucht ihr zusätzlich einen Sänger?
Den Lead-Gesang habe ich voll und ganz übernommen. Ich hatte einfach die Schnauze voll von Solo-Sängern. Ich habe mir gesagt „jetzt probierst du es selbst, so weit es eben geht“. Wenn man mal angefangen hat realisiert man schnell, dass da einiges zu holen ist. Gut, ich bin nicht der super Solo-Sänger. Aber es passt genau zur Band. Es ist nicht so, dass der Sound super ist und der Gesang negativ heraussticht. Bis jetzt fügt sich alles sehr gut ein. So machen wir erstmal weiter.
Wollt ihr in Zukunft vor einem grösseren Publikum spielen, oder habt ihr diese kleinen Clubs bewusst ausgewählt?
Nein, ich wollte aus zwei Gründen ganz unten anfangen. Ganz zu Beginn haben wir einfach mal Blues gespielt, bis uns die Ohren fast abgefallen sind. Wir haben dann zu dritt einiges an Bluesmaterial gespielt. Der Schlagzeuger und die Bassistin kommen aber überhaupt nicht aus der Blues-Ecke. Er hat seine Wurzeln im Hip-Hop, sie eher im Hardrock. So mussten wir zuerst einmal zum Blues finden. Blues passt einfach sehr gut in diese kleinen Restaurants und Clubs.
Der zweite Grund, weshalb wir in kleinen Clubs gestartet sind, war der, dass ich schauen wollte, wer das mit mir durchzieht. Obwohl es von Anfang an für alle kleine Gagen gab, wollte ich wissen, wer nicht gleich die Hand ausstreckt. Ich wollte keine „normale“ Band, bei der es Musiker hat, die noch in fünf anderen Bands spielen. In meiner Band wollte ich eine eigene Stimmung kreieren. Das heisst auch sehr viel proben und alles da reinlegen. Ich wollte einfach Leute, die das ganze nicht nur als Job ansehen, sondern die mit Herzblut an die Sache gehen. Auch wenn die Band meinen Namen trägt. Am besten kann man das testen, indem man an beschissene – nein, was heisst beschissene – einfach an kleinere Orte geht und sozusagen den steinigen Weg wählt.
Das macht für mich einen sehr langfristigen Eindruck. Du möchtest hier wirklich etwas aufbauen.
Eindeutig! Ich habe den steinigen Weg erlebt als ich jung war. Eines habe ich bei Krokus gerlent. Wenn du eine Band zu schnell von null auf hundert hebst, dann steigt das den Musikern in den Kopf. Die haben manchmal regelrecht durchgedreht und gemeint sie wären die Kings. Die Einstellung zum Ganzen wurde dann dementsprechend schlecht. Man war plötzlich Rockstar und nicht mehr Musiker. Und ich will in erster Linie Musiker sein. Deshalb suchte ich Leute, die ebenfalls mit Herz und Seele mitmachen.
Vermisst du manchmal die Grössenordnungen bei Locations und Publikum, die ihr mit Krokus in den USA erlebt habt?
Die Struktur des Musikbusiness hat sich seit den 80er Jahren verändert und auch Amerika ist heute komplett anders. Im Moment hätte ich gar keine Lust dahin zu gehen. Dazu ist mir das ganze Völkchen mit ihrer überdrehten Security momentan ein wenig zu verrückt.
Aber ich weiss natürlich worauf es energiemässig auf den grossen Bühnen ankommt. Wie muss ein Programm einer grossen Bühne angepasst werden, damit es mit Dampf zum Publikum kommt. Diese Erfahrungen versuche ich meinen jungen Bandkollegen mitzuteilen. Wie weit das mit dieser Band geht, ist natürlich schwierig zu sagen. Da müssten wir in einem Jahr wieder darüber sprechen.
Du kannst deinen jungen Bandkollegen eine Menge weitergeben. Gibt es auch Dinge, die du von ihnen lernen kannst?
Ja, ich lerne bei diesem Projekt einiges dazu. Es ist toll mit jungen Leuten zusammen zu arbeiten. Die haben noch diese enorme Energie. Mit diesen Musikern macht das Freude. Sie hören zu, wenn ihnen der „Papa“ etwas vorschlägt. Sie sind nicht vergiftet auf schnellen Erfolg, sondern wollen zusammen mit mir etwas Neues anpacken.
Das neue daran ist für mich sicher die Tatsache, dass ich mit meinem Namen das Aushängeschild des Projekts bin. Deshalb muss ich letztlich auch die Verantwortung für das Ganze übernehmen. Das ist eine neue Situation für mich.
Weg von „viele Köche verderben den Brei“. Jemand übernimmt das Zepter und zeigt den anderen die Richtung an.
Exakt. Bei Krokus bin ich gegangen, weil die die Arbeit nicht mehr machen wollten, die einfach nötig ist. Ich habe ihnen gesagt: „Jungs, ihr seit nicht ready für Amerika. Ihr habt einfach nicht genug Biss“. Das wollten sie einfach nicht glauben. Es war ihnen unangenehm, dass da einer in der Band ist der auf Mängel hinweist.
Sprichst du damit die Zeit nach „Rock the block“ an?
Genau, bevor ich bei Krokus gegangen bin. Das war etwa zum Zeitpunkt, als das Live-Album [Fire and Gasoline, 2004, Anm. d. Red.] auf den Markt kam.
Welche Arbeiten wurden deiner Meinung nach nicht ausreichend erledigt?
Nun, zuerst einmal die innere Einstellung zum Ganzen. Man ist an einem Instrument und man arbeitet mit dem Instrument. An fast jeder Probe so eine „Müssen-wir-wirklich“-Stimmung, das kann nicht sein. Da muss man den Finger aus dem Arsch nehmen und einfach Gas geben. Das Ganze ist in eine Art Abzockerverhalten ausgeartet. Hauptsache Rockstar. Proben, Pressetermine, die ganze Arbeit, muss das sein? So in die Richtung etwa. Das ist mir ganz schlecht eingefahren.
Hinzu kam noch, dass das Management dem viel zu wenig Beachtung schenkte. Die waren der Meinung solange die Original-Stimme über das Ganze krächzt, passt das schon. Sie haben einfach nicht begriffen, dass eine Band eine Einheit sein muss. Wie die Crew auf einer Segelyacht. Jeder muss sich auf den anderen verlassen können. Jeder Handgriff muss stimmen. Bei Krokus wurde in den Proben aufs Handy geschaut, wie wenn es Pflichtarbeit wäre. Das ist bei uns jetzt anders. Alle sind voll bei der Sache und wir haben wirklich bis zum umfallen gepropt.
Die Zeit vor und bis zum Album „Metal Rendez-vous“ hast du in der Biografie „As long as we live“ als deine kreativste und schönste Phase in der Karriere mit Krokus beschrieben. Ist Metal Rendez-vous auch dein persönlicher Krokus-Favorit?
Wenn man auf eine Karriere zurückschaut, ist es schon lustig. Während dem man zu der Zeit damals gezittert und Angst gehabt hat, wir wussten ja nicht, ob wir Erfolg haben oder Schiffbruch erleiden, sehe ich diese Phase heute als die dichteste Zeit in Bezug auf Energie. Das hat sich richtig eingebrannt.
Danach läuft die Kiste einfach. Als Metal Rendez-vous auf den Markt kam, waren die Auszeichnungen und Touren eigentlich nur noch das Resultat. Im Jahr vor Metal Rendez-vous hatten wir fast keine Auftritte. Im Frühling 1979 waren wir in Deutschland und spielten im Sommer ein einziges Konzert in der Schweiz. Im Herbst waren wir in Ungarn und spielten da zum ersten Mal in grösseren Hallen.
Wir hatten alles vorbereitet, die Demos waren eingesungen. Aber unser damaliger Sänger Henri Fries unterschrieb einen Vertrag in Italien. Darauf hin haben wir Marc Storace geholt, weil wir einen Sänger mit hoher Stimme wollten. Dann ging alles sehr schnell. In Rekordzeit hatten wir die Scheibe eingespielt.
Es ist ein stimmungsvolles Album mit Hammersongs, durch das die ganze Vorbereitungszeit und das Herzblut sehr gut zur Geltung kommt.
Wenn dich deine Bandkumpels der Krokus-Ur-Formation morgen anrufen und zu einem gemeinsamen Gig einladen, würdest du hingehen?
Mit einigen würde ich das sofort machen. Marc Storace müsste allerdings dazu seine 80er Jahre Attitüde des super Solo-Sängers unbedingt ändern. Inklusive seines Managements und den Beratern. Sowas brauche ich nicht mehr. Ich bin Musiker mit Bodenkontakt. Mir geht es darum ordentlich zu rocken.
Grundsätzlich habe ich immer Interesse und Lust daran diese Songs zu spielen. Immerhin habe ich einen grossen Teil davon geschrieben. Es ist ein geiler Sound, ich mache das gerne. Aber eben, es muss zwischen den Leuten stimmen.
Denkst du, dass eine solche Erfolgsstory wie ihr sie mit Krokus erlebt habt jederzeit wieder möglich wäre? Traust du es einer Schweizer Rockband zu, international eine der ganz grossen zu werden?
Ich sage dir jetzt einfach eines: Ich habe in der Schweiz schon so viele tolle Musiker kennengelernt, wo ich einfach nur noch „Wow!“ sagen konnte. Das Talent für eine richtige Karriere ist da. Talente gibt es in der Schweiz zuhauf.
Nun fehlt aber der zweite Teil. Die meisten dieser Leute haben einfach nicht den nötigen Durchhaltewillen. Die wollen immer nur dies und das, ohne viel dafür tun zu wollen. Sie möchten ein Zweimann-Zelt über eine Fünfer-Gruppe spannen. Das geht einfach nicht.
Sie wollen diesen Weg, auf dem man gewisse Entbehrungen und Opfer bringen muss, einfach nicht gehen. Tönt vielleicht kitschig, ist aber so. Wenn ihnen nur der kleinste Anfangerfolg gelingt, kommen sie schon auf den Celebrity-Trip. Solche Hypes passieren heute zu schnell und sind gefährlich.
Denkst du nicht auch, dass der finanzielle Aspekt in dieser Sache eine Rolle spielt? Schliesslich sind die Lebenskosten in der Schweiz sehr hoch. Wenn sich jemand abkoppeln und voll auf die Musik konzentrieren möchte, dann ist das doch relativ schwierig.
Eine grosse Gefahr ist das Überangebot an Konsumgütern, die in unseren Verkaufstempeln rumliegt. Trotz allem ist die Schweiz nach wie vor mit Luxusgütern zugeplastert. Zwar können sich immer weniger Leute dieses Zeug leisten, aber die Versuchung ist halt immer noch da.
Wenn sich ein Gitarrist, oder irgend ein anderer Musiker, ernsthaft mit dem Gedanken auseinandersetzt was es eigentlich braucht, damit er dieses Ziel erreichen und bis dahin überleben kann, dann würde er merken, dass sein Instrument, etwas zu essen und eine Schlafgelegenheit eigentlich ausreichen.
Anstatt die Zeit mit diesen Gütern zu verbringen, sollte sich der ernsthaft ambitionierte Musiker mit üben, üben und nochmals üben beschäftigen. Das bedingt natürlich einen etwas einsamen Weg. Man beginnt sich ein wenig von der Gesellschaft zu entfernen, wenn man sein grosses Ziel vor Augen hat.
Ok, daraus schliesse ich, dass du unter den genannten Bedingungen solche Karrieren jederzeit für möglich hälst.
Es hat tonnenweise Leute. Nach unseren US-Aufenthalten mit Krokus hatte ich eigentlich erwartet, dass wir den Schweizer Bands die Türe aufgestossen haben.
Als ich Ende der 80er Jahre zurückgekommen bin, hat diese Big Deal, diese Majordeal-Vergiftung angefangen. In der Branche herrschte die Mentalität einfach nur mit möglichst viel Geld um sich zu werfen, dann kommt der Erfolg. Es wurden einige vielversprechende Schweizer Bands kaputt gemacht, siehe China, in dem gleich zu Beginn riesige Budgets verbraten worden sind. Wenn zu früh zu viel Geld ins Spiel kommt, ist das Treibsand pur. Du gehst einfach unter.
Gegen Bands aus England, Amerika oder woher auch immer, die sich durchgebissen haben, hast du nachher als Schweizer nicht den Hauch einer Chance.
Was läuft eigentlich bei dir im CD-Player für Sound?
Das ist noch witzig, zu Hause höre ich eigentlich kaum bewusst eine CD. Jedoch spiele ich zu CDs mit und übe auf diese Weise Skalen. Und zwar total durcheinander, alles Mögliche, aus allen erdenklichen Stilrichtungen [lacht].
Im Auto hatte ich jetzt längere Zeit alte Bad Company Sachen dabei. Die kann ich wirklich wärmstens empfehlen. Damit habe ich meine Stimme trainiert, um ein gewisses Feeling für diese Art von Songs zu erhalten.
Ich höre Paul Rodgers extrem gut zu und singe einfach mit. Nebst dem Gesang ist es gleichzeitig sensationelle Drumarbeit. Ich empfehle meinen heutigen Bandmitgliedern immer sich solche Sachen anzuhören. Songs aus den 70ern, wo noch alles echte Handarbeit ist. Ohne Computerunterstützung, einfachste Mittel halt.
Und ich sage das nicht, weil ich in dieser Zeit aufgewachsen bin. Es ist schwierig zu beschreiben. In dieser Zeit herrschte einfach eine ganz besondere Stimmung. Es lag eine gewaltige Energie in der Luft. Das war eine unglaublich fruchtbare Zeit in der Musik und man kann sich daraus immer wieder Inspiration und Eindrücke holen.
Gibt es etwas aus den letzten 10, 15 Jahren, dass dir gefällt? Etwas, das wieder in diese Richtung geht und dich begeistern kann.
[Überlegt kurz] Ich muss dir ganz ehrlich sagen, nein. Wenn ich wiedermal einen herrlichen Hardrock-Abend erleben will, dann schiebe ich eine AC/DC-DVD rein. Zum Beispiel „No Bull“, wo sie in Madrid spielen. Kennst du die?
Ja, die steht bei mir auch im Regal.
Was willst du da noch verbessern? Da kommt diese hammermässige Gitarrenwand ungebremst. Zuerst mal müsstest du das toppen. Das ist bis heute keiner Hardrock-Band gelungen. Niemand spielt solche Riffs.
Da gibt es solche Bands die kommen und gehen, Strömungen des Business. Und dann gibt es ab und zu eine, die richtige Pfäle einschlägt – wie AC/DC eben.
Geschafft haben es nur Bands, die sich selber treu geblieben sind. Und wenn dabei nur ein Sandwich rausschaut. Man sollte immer genau das machen, wozu man selbst Lust hat.
Früher haben wir Musik auf Kassette überspielt oder direkt vom Radio aufgenommen. Heute passiert mit CD-Brennern und MP3s dasselbe, nur mit dem kleinen Unterschied, dass die Qualität der Aufnahmen besser ist. Die Musikindustrie hat mit Kopierschutzmechanismen und Nutzungseinschränkungen reagiert. Wie stehst du zur Urheberrechtsproblematik?
Ich muss zugeben, dass ich in einer ziemlich altmodischen, eigenen Welt lebe. Meinen Computer habe ich lediglich wegen Pro Tools. Mein Handy ist auch fast antik.
Ich bin der Meinung, dass eine harmonierende Band mit guten Songs und einer Ausstrahlung auch in einer sich wandelnden Welt bestehen kann. Was ich damit sagen will: Auch wenn die Transportmittel heute CDs sind. Wenn man dem Publikum live auf einer Bühne etwas bieten kann, wird man in diesem grossen Kuchen immer einen Platz haben. Wie das Ganze in 50 Jahren aussieht, das weiss ich auch nicht.
Bei mir ist auch so, dass ich nie das Geld erhalten habe, das mir eigentlich zugestanden hätte. Als Songwriter wirst du die ganze Zeit betrogen und must dem Geld hinterher rennen. Das ist zwar bei mir momentan kein Problem mehr, aber solche Stories gab es früher ständig. Wenn du nicht um deine Anliegen kämpfst, kommst du in dieser Industrie nicht zu deinem Geld.
Wir spielen momentan Covers und füllen für jedes Konzert eine SUISA-Liste [Die SUISA ist die Schweizer Verwertungsgesellschaft analog zur GEMA in Deutschland, Anm. d. Red.] aus, damit der betreffende Künstler irgendwann zu seinem Geld kommt. Mit dem wilden Herunterladen von Songs, ohne zu bezahlen, ist es ganz einfach. Wenn man das konsequent zu Ende führt komponiert am Schluss niemand mehr etwas. Der Komponist muss zu seinem Geld kommen.
Ich würde gerne kurz auf etwas sehr persönliches zu sprechen kommen. 1992 wurdest du mit der Diagnose „Lymphom“ (Lymphdrüsenkrebs) konfrontiert. Was hat dir geholfen diese unglaublich harte Zeit zu überstehen?
Das ist schwierig zu beantworten. Die ganze Sache ist sehr tief gegangen, bis auf meinen Kern. Erst als ich mir ganz sicher war…[überlegt kurz] …, dass ich wirklich weiterleben will, da ist der Kämpfer in mir wieder erwacht. In diesem Moment ist auch die Liebe zur Musik wieder zurückgekehrt.
Ironischerweise war die Liebe zur Musik genau vor dieser Zeit gestorben. Das ist mir erst im Nachhinein bewusst geworden. Ich war sehr frustriert. Wir waren im Studio um den Sampler Metal Marathon 2 aufzunehmen und hatten viel gearbeitet. Nach all diesen Studiosessions hatte ich gemerkt, dass für mich die Live-Gigs das einzig Wahre sind. Das ist der Moment bei dem alle zusammenspielen müssen, da fliesst die Energie am stärksten.
Natürlich hatte ich auch eine Zeit lang die Krise. Ich wollte nur noch sterben. Ich fragte mich, wofür die ganze Chemotherapie und das ganze Zeug gut sein soll. Aber als ich die Magie, die Liebe zur Musik wieder entdeckte hatte, hat mir das schon sehr geholfen.
In einem Interview hast du mal gesagt: „Der Tod begleitet mich als Mahner und Regulator. Ich habe mich mit ihm angefreundet“. Kannst du kurz beschreiben, was du damit gemeint hast?
Das habe ich so gemeint, dass ich gemerkt habe wie weit weg ich den Tod damals empfand. Ich dachte immer das alles passiert irgendwo weit weg von dir und betrifft immer andere. Erst nachher habe ich realisiert, wie sehr ich das Thema Tod verdrängt hatte.
Nach dieser Zeit, wo ich wieder bei Krokus dabei war, habe ich mich dabei ertappt wie ich am Bühnenrand stehe und alles total lebendig ist. Und weil ich gelernt habe die Angst zuzulassen wenn sie da ist, habe ich gemerkt: Der Tod ist auch da. Gleichzeitig wenn alles um dich herum lebt, ist er auch da. Jederzeit und überall.
Beim Gitarrespielen erzeugst du Töne die klingen und die musst du von der Gitarre loslösen. Jede Note fliegt hinaus und stirbt danach ab. Ohne das Absterben würde es keinen Frühling und auch keine Musik geben. Jeder Ton lebt eine Zeit lang, klingt dann ab und es folgt der nächste.
Du darfst ihn jedes Mal neu spielen und formen…
Genau! Am intensivsten ist es, wenn die Note in diesem Bewusstsein davonfliegt.
Denkst oder handelst du seit dieser Zeit in gewissen Dingen anders?
Ich stelle fest, dass ich früher ganz naiv immer diesen lebhaften Dingen des Lebens hinterher gelaufen bin. Es war fast so, als wäre ich vor etwas auf der Flucht. Heute geniesse ich alles viel mehr.
Ich würde es heute sicher wesentlich intensiver geniessen, wenn ich nochmals auf den grossen Bühnen in den USA spielen könnte. Richtig und ruhig geniessen. Wenn ich heute einen Rocksong spiele, tobt die Energie um mich herum und in der Mitte ist es gleichzeitig absolut ruhig. Wie im Auge eines Hurricanes. Manchmal lasse ich mich immer noch einfach mitreissen. Aber ich habe gelernt, dass man in diese Mitte gelangen kann.
Der Tod, aber auch andere Dinge, werden von der heutigen Gesellschaft immer mehr verdrängt. So werden wir ja heute erzogen. Alles unangenehme, abnormale ist schlecht und wir gehören nicht dazu. Wenn man alles abspaltet und sich selbst auf eine höhere Stufe einordnet als die anderen – wo führt das hin? Einige haben aus unerfindlichen Gründen das Gefühl sie seien etwas besseres, nur weil sie einen Anzug tragen und die Verpackung anders ist.
Wir sind doch nichts anderes als keulenschwingende Höhlenbewohner, die sich ein paar Umgangsformen angeeignet haben, um nicht als solche zu erscheinen. That`s it!
Vor deiner Entscheidung alles auf die Karte Musik zu setzen warst du Lehrer. Wann war das und wie lange hast du das gemacht?
Das hat eigentlich schon toll angefangen. Ich hatte schon in der Schule lange Haare, wir hörten Led Zeppelin, Deep Purple, und so weiter. Die Schweiz war zu der Zeit sehr verschlafen und hinkte in vielen Dingen hinterher. Auch die Schweizer Bands, die nicht so gut aufnehmen konnten, es fehlte einfach die englische Technik und das Know-How.
Es hat mich einfach infisziert. Ich wusste, das will ich! Das war alles andere als einfach. Man sprach von Schulabschlüssen und einer Berufslehre. Mein Bruder und ich gingen beide ins Gymnasium. Mit 21 kündigte ich meine erste Stelle als Lehrer und probierte es zum ersten Mal. Damals konnte man allerdings nur in einem Profiorchester in Dancings auftreten und davon auch leben. Das kam für mich jedoch nicht im entferntesten in Frage [schmunzelt].
Ich nahm dann mit 23 Jahren nochmals eine Stelle an. Das ging dann 2 ½ Jahre. In dieser Zeit rückte Krokus immer stärker ins Zentrum und wir probten fast jeden Abend. Eines Tages sagte ich mir: Wenn du das nicht wagst, den Weg der Musik, dann wirst du eines Tages psychisch zu Grunde gehen. Darauf hin habe ich wieder gekündigt [lacht].
Hattest du früher Gitarrenunterricht, oder hast du dir alles selbst beigebracht?
Nein, ich hatte nie Unterricht. Ganz am Anfang wo es um Cliff Richards, Beatles und die Stones ging, habe ich mir Griffe im Bravo abgeschaut. Die allerersten Griffe, diese ganz leichten Wanderlieder-Griffe, die hat mir mal einer gezeigt. Das war der Typ dem ich meine erste Gitarre abgekauft hatte. Da war ich etwa 11 Jahre alt.
Alles was nachher dazugekommen ist habe ich mir selbst angeeignet. Ich habe mich bei anderen Gitarristen im Fernsehen oder eben im Bravo orientiert und mich jeweils gefragt, was der Typ da gerade greift. Schliesslich sah man es ja immer spiegelverkehrt. Irgendwie habe ich es dann hingewurstelt [lacht].
Eine der Fragen die mir jeweils gestellt wird sobald ich jemandem erzähle, dass ich Gitarre spiele, ist die: Kannst du Noten lesen, muss man das können?
In meiner Zeit im Gymnasium musste ich Klavierunterricht nehmen. Gitarrenlehrer gabs damals bei uns noch keine. Es war eine einzige Katastrophe. Bis zu meinem unrühmlichen Abgang aus der Musikschule bin ich nie über das Basislehrmittel hinausgekommen. Das hat mich nicht die Bohne interessiert. Ich wollte einfach Gitarren hören!
Mit dem wenigen Geld, das wir zur Verfügung hatten, gingen wir los und sahen Bands wie Deep Purple. Dann war da noch die Sendung „Beat Club“. Die kam immer am Samstag Nachmittag auf TV Bremen im Fernsehen. Da spielten jeweils Bands, manchmal auch nur Playback. Wir sahen Jimi Hendrix „Hey Joe“ spielen und sind völlig durchgedreht. Wer wollte da noch Musiktheorie im Klavierunterricht pauken?
Es gab mal eine Zeit, da konnte ich ein wenig Noten lesen. Aber irgendwann habe ich gemerkt, dass das für die Rockmusik absolut unwichtig ist. Da zählt alleine Ausdruck und Energie, die du in eine Note legst. Das meiste ist ja sehr blueslastig, sehr pentatonisch, also habe ich das zuerst gelernt gehabt.
Irgendwann habe ich mir dann auch diese Fischer-Bücher gekauft. Das war aber erst nach Amerika. Die ganze Krokus-Geschichte, die US-Touren, hatten wir ohne Ausbildung, ohne Musikbücher oder Musikschulen absolviert. Die ganzen Einrichtungen wie das GIT kamen erst viel später. Nachher habe ich angefangen mich mit Kirchentonleitern zu befassen. Die lassen sich ausgezeichnet zu Popsongs üben.
Die Sounds, die wir früher gemacht haben, basierten weitgehenst auf dem Blues. Wir haben viele erweiterte Sachen gespielt. Wie zum Beispiel AC/DC, wo alles auf den Blues aufbaut und mit offenen Dur-Akkorden ergänzt wird. Bei den Krokus Sachen ging es manchmal noch ein wenig weiter, mehr ins Orchestrale, wie z.B. „Screaming in the night“.
Kannst du mit dem Instrumental-Sound von Gitarristen wie Satriani, Vai oder Malmsteen etwas anfangen?
Ich habe irgendwann angefangen mich damit zu befassen. Da kannst du den grössten Krieg auslösen. Nimm zum Beispiel unsere Bassistin, die Emi, sie und ich ticken in dieser Frage komplett anders.
Ich habe hintereinander Steve Lukather und Steve Vai live gehört gehabt. Auch diese G3-Konzerte habe ich mir angehört. Schlussendlich muss ich eine Portion Dreck dabei haben. Deshalb ist mir Lukather viel näher. Bei Steve Vai beeindruckt zwar seine Technik, aber es berührt mich nicht. Technik interessiert mich einfach nicht, ich stehe mehr auf Ausdruck und Dreck.
Auf dem anderen G3-Gig hat mir Yngwie Malmsteen sehr gut gefallen. Der bringt diese Prise Dreck mit. Er hat nicht diese Guitar-Master-Correctness, wie es bei anderen den Eindruck macht.
Wie oft übst du heute durchschnittlich?
Ich bin vorhin vom üben gekommen und gehe nachher wieder in den Übungsraum. Wenn ich kann, dann übe ich. Jeder Tag ohne Gitarre macht mich fast krank. Das habe ich früher nie gemacht. Je älter ich werde, desto mehr hole ich mir mit der Gitarre Entspannung.
Als Junge träumte ich früher davon den ganzen Tag nur Gitarre zu spielen. Nun merke ich: Du machst es ja. Wenn ich einen schlechten Tag hatte, oder sonst irgend eine unangenehme Sache da war, hänge ich mir die Gitarre um und nach einer Minute ist das alles vergessen. An der Gitarre bin ich einfach ein „Happy Camper“.
Konsequent jeden Tag ein wenig üben, das bringt am meisten. Idealerweise mit einem Metronom und langsam. Ich halte mich auch nicht immer daran, weil das Temperament manchmal mit mir durchgeht. Einerseits das Mitjammen zu CDs und DVDs, andererseits die Fingerübungen. Wenn man die täglich macht, kommt man sehr weit.
Das tönt jetzt sehr einfach.
Du musst es einfach machen. Wenn du diese Disziplin pflegst, erlebst du immer wieder Zeiten, wo du es extrem gut durchziehen kannst.
Wieviele Gitarren stehen bei dir zu Hause?
Wenn ich Idiot nicht einige verkauft hätte, wären es noch mehr. Ich habe eine ausgewogene Gitarrensammlung. Ich könnte dir jetzt keine Zahl nennen. Aber ich kann versuchen mal aufzuzählen.
Also da sind zwei Gretsch, eine G&L, ca. drei Fender Strats, zwei Gibson Les Paul, eine zwölfsaitige Akustik, zwei sechssaitige Akustik und dann ist da noch irgend eine Custom-Made, die ich sehr selten brauche. Neuerdings spiele ich öfters auf einer Ibanez Satriani Signature, die es bis jetzt aber noch nicht auf die Bühne geschafft hat. Einige Dinge stimmen noch nicht, aber sie liegt mir sehr gut.
Ich muss mich immer zusammen nehmen. Immer wenn ich Geld habe bin ich akut gefährdet [lacht]. Selten bin ich aus einem Musikgeschäft ohne neue Gitarre hinausgelaufen. Im Moment kann ich mir das allerdings nicht leisten. Ich bin aber keiner, der seine Gitarren einfach an die Wand hängt. Ich spiele alle, ob live oder im Studio.
Früher hast du auch Explorers und andere Gitarren gespielt.
Tja, leider habe ich viele Gitarren wieder verkauft. Dummerweise auch diese weisse SG, die ich beim Krokus-Gig im Hallenstadion gespielt hatte. Die hat jetzt ein Sammler. Wenigstens kenne ich ihn. Heute würde ich die niemals mehr weggeben. Auch wenn es eine absolute Zicke war, etwas mühsam zu spielen. Immerhin hatte ich damals die Alben „One vice at a time“ und „Headhunter“ damit eingespielt. Die hat einen ganz speziellen Sound. „Screaming in the night“ lebt von dieser Gitarre.
Dein Tipp also an alle Gitarristen: Gebt niemals eure Gitarren weg?!
Wenn möglich nicht. Gib sie niemals weg. Du wirst es später einmal bereuen.
Danke Fernando, dass du dir die Zeit für dieses Gespräch genommen hast.
Foto: © by Arrowhead Music GmbH
Inge Schweizer meint
Mit ca. 18 mein 1tes Krokus Konzert im Gersag Emmen. Mein 2tes am 6. Mai 23.
Bad Ass Romance 17. Aug. 23, Waldibrüggli Emmen. Mega schöner Abend. Danke.