Sobald Du merkst, dass Du beim Üben an verschiedene Dinge gleichzeitig denken musst, weil
sie für Dich noch neu oder noch nicht genug automatisiert sind, dann ist Dein Geist beim Üben
rasch überfordert. Die Qualität und das Ergebnis des Übens leiden massiv darunter.
So bringt Üben dann leider nicht viel!
Wenn Du solche Situationen erlebst, dann bist Du nicht alleine, das kannst Du mir glauben. Es gibt wohl
kaum einen Gitarristen, der sich nicht immer wieder mal dabei ertappt, zu schwierige Dinge zu üben.
Ich empfehle Dir in solchen Fällen, die folgende 3-stufige Strategie anzuwenden:
- Die Aufgabe in verschiedene Teile aufteilen, bspw. in eine Übung, bei der nur die linke Hand etwas macht (zum Beispiel einen Akkorde drückt), und in eine Übung, bei der nur die rechte Hand etwas macht (zum Beispiel ein Pickingmuster pickt).
- Diese Teile separat trainieren (linke Hand / rechte Hand), bis sie sicher gespielt werden können
- Die Teile wieder zusammensetzen (wieder beide Hände verwenden)
Es ist enorm wichtig, dass Du solche grundsätzlichen Übungsstrategien kennst und konsequent
anwendest („kennen“ alleine reicht ja bekanntlich nicht aus ;-)
Wenn Du zuhause alleine übst, dann ist ausser Dir niemand da, der Dir helfen kann, alles korrekt zu
machen. Du selber musst in der Lage sein, Dich beim Spielen zu beobachten (darum empfehle ich, vor
einem Spiegel zu üben), das Ergebnis zu analysieren, Fehler und Lösungsmöglichkeiten zu finden usw.
Mit der Zeit wird diese Fähigkeit bei Dir immer besser werden. Du musst Dein eigener Lehrer werden!
Die oben beschriebene Übungsstrategie ist übrigens aus einer uralten Kriegsstrategie abgeleitet:
„Divide et Impera“ (lateinisch für „teile und herrsche“) ist eine Redewendung und bedeutet, einen Gegner in Untergruppen aufzuspalten, die leichter besiegt werden können. Dieses Vorgehen ist bereits 500 v.
Chr. als eine Strategie der chinesischen Kriegskunst beschrieben worden! Und auch in der damaligen
römischen Aussenpolitik ist diese Strategie ohne Zweifel wiederzuerkennen. Soviel zur Geschichte ;-)
Im problemlösenden Denken bezeichnet „teile und herrsche“ die Vorgehensweise, das Ziel in kleinere
Einheiten zu zerteilen und diese nacheinander abzuarbeiten. Ein Beispiel wäre, grosse Aufgaben und
Probleme dadurch besser lösen zu können, dass sie in kleinere Teilprobleme (=Teilübungen) zerlegt
werden, die einfacher zu handhaben sind als das Problem als Ganzes (=bspw. den ganzen Song).
Die Lösungen der Teilprobleme werden anschliessend zur Lösung des Gesamtproblems verwendet.
Diese Technik kann erneut angewendet werden: Die Teilprobleme können ihrerseits in noch kleinere
Teilprobleme (=bspw. Akkordwechsel oder Pickingmuster) zerlegt werden, bis die Teilprobleme eine
überschaubare Komplexität erreichen.
Ein Praxis-Beispiel: Wie lerne ich Powerchords drücken und spielen?
- aufteilen: Überleg Dir, aus welchen einzelnen Teilen das „Powerchord spielen“ besteht.
–> linke Hand: (A) Powerchord richtig drücken, (B) Powerchords wechseln (beispielsweise durch Sliden)
–> rechte Hand: (C) Grundton des Powerchords treffen, (D) Grundton mit Power anschlagen, (E) obere
Töne des Powerchords schnell und hart anschlagen, (F) Grundton abgedämpft spielen („Palm Muting“) - separat trainieren: Übe die Teile (A) bis (F) mit der jeweiligen Hand (jeweils nur eine Hand!).
Um (A) zu üben, halte die rechte Hand weg von der Gitarre.
Um (D) zu üben, leg die Finger der linken Hand über alle Saiten, damit die Saiten nicht klingen.
Um (F) zu üben, drück mit der linken Hand nur eine Saite (den Grundton des Powerchords).
Usw. - zusammensetzen: Setze nun verschiedenen Teile (A) bis (F) wieder zusammen und spiel einzelne
Powerchords, Powerchord Riffs usw. und teste, wie gut das jetzt klappt, nachdem Du die einzelnen Teile
separat trainiert hast.
Wende diese Übungsstrategie so oft wie möglich an, damit Du keine Übungszeit verschwendest!
Dan Keller schöpft aus seiner jahrzehntelangen Erfahrung und vermittelt in der Artikelreihe Guitar School Of Music Workshops sein Wissen in den Bereichen Spieltechnik, Theorie, Improvisation, Komposition und Motivation/Lerntechnik. Er spielt seit über 30 Jahren Gitarre und kann auf eine bewegende Karriere als Live- und Studiomusiker, sowie als Gitarrenlehrer zurückblicken. Gitarrenunterricht gibt Dan Keller seit 1995. 2002 gründete er seine eigene Musikschule.
[…] mich bereits in einigen Punkten wiedererkannt habe. Lesenswert und beachtenswert, auch der aktuelle vierte Artikel. in Gitarren-Unterricht um 22:18 | Noch keine Kommentare | Keine Trackbacks Trackbacks […]